„Voll aus­ge­pow­ert” und erschöpft hat­te ich die Tür der Sta­tion auf der Klinik für Onkolo­gie hin­ter mir zugeschla­gen. Dabei war es doch heute ruhig, keine Not­fälle. 

Ken­nen Sie es als Pflege­fachkraft? In mein­er Welt der Pflege war es All­t­ag gewe­sen. 

Im Kinder­in­ten­sivpflege­di­enst als Leitung lernte ich, die 1zu1-Pflege bei den Fam­i­lien zu Hause ist her­aus­fordernd. Ich erfuhr, welche Kon­flik­te hier tra­gend wer­den und wie sie sich gestal­ten, wenn eine außerklin­is­chen Inten­sivpflege mit dem Pflege­di­enst in der Fam­i­lie belas­tend wird.

Selb­st bei uns im PflegeZ­im­mer gibt es schwere Momente, gibt es Tage, die ver­meintlich „nor­mal“ ver­laufen — nach dem Pflege­plan. Und doch, wenn die Pflege­fachkraft sich ver­ab­schiedet und die Woh­nungstür hin­ter sich schließt, hof­fen wir als Eltern von Linn:  Sie kann mit dem Arbeit­stag gut abschließen. 

Klar ist für uns als Arbeit­ge­ber in der Krankenpflege: Psy­chis­che Belas­tun­gen am Arbeit­splatz gehören nicht dem Mitar­beit­er allein, son­dern der Arbeit­ge­ber trägt sie mit. Er trägt Sorge, dass die psy­chis­che Gesund­heit sein­er angestell­ten Pflegekräfte erhal­ten bleibt und geschützt wird. 

Dabei gilt: Wir als Führungskraft sind begren­zt. Wir sind keine Ther­a­peuten oder der gute Fre­und für schwierige Gespräche, der sich einem Abend lang Zeit dafür nehmen kann.

Die seelischen Belastungen in der Pflege

Aber was macht die psy­chis­che Last in der ambu­lanten Inten­sivpflege aus? Es ist ein bre­ites Feld allein bei uns in Jena:

  1. Unklarheit­en im Pflege­plan, ins­beson­dere wenn Linn sich „neu zeigt“.
  2. Nach den Wün­schen der Eltern best­möglich Linn zu pfle­gen, auch wenn die Eltern sich selb­st nicht 100% klar sind, wie was gehan­delt wer­den sollte.
  3. Ein Kon­flikt mit einer/einem Kolleg/in, da ein Fehler aufge­fall­en war, und die Strate­gie fehlt, wie es dem/derjenigen mit­geteilt wer­den kann.
  4. Der Haushalt Fam­i­lie ist räum­lich begren­zt und es kann eng wer­den miteinan­der, was beson­ders jet­zt durch die Coro­na-Pan­demie sich ver­schärft.
  5. Die eige­nen Prob­leme von zuhause, die sich nicht abschal­ten lassen, auf der Arbeit in Kon­flikt treten mit: Ich möchte mich voll und ganz auf die Arbeit im PflegeZ­im­mer konzen­tri­eren.
  6. “Oh, ich bewältige als Pflegekraft nicht alle meine Auf­gaben während mein­er Dien­stzeit. Die Dien­sta­blö­sung ste­ht in der Tür und dies erschlägt mich, als würde ich die Arbeit nicht best­möglich machen. Doch sehe ich, der zeitliche Plan in der Pflege hat sich durch Linns Bedürfnisse, einem län­geren Gespräch mit den Eltern, ein unge­planter Besuch oder ein­er Krise ver­schoben.”
  7. Linn steckt noch in ein­er Schmerzkrise, aber mein Dienst endet und die Eltern übernehmen die Pflege selb­st. Das Schmerzmit­tel hat sie ger­ade erhal­ten. Ich als Pflege­fachkraft möchte aber Linn den Eltern für ein entspan­ntes Zusam­men­sein übergeben und nicht noch mehr die Eltern belas­ten.
Auf den Feld eine Rose

Es ist nur ein Auss­chnitt und jede Pflege­fachkraft, egal ob auf Sta­tion oder bei einem Pflege­di­enst wie hier in Jena wird die Liste um den einen oder anderen Belas­tungspunkt erweit­ern wollen.

Die psychische Gesundheit in der Pflege erhalten

Doch oder was lässt sich von uns Eltern bere­it­stellen oder meis­tern, um die psy­chis­che Gesund­heit unser­er Angestell­ten zu erhal­ten oder zu schützen.

  1. Bei uns gilt als wichtige Säule, die Umset­zung des OPI-Konzeptes aus der Kinder­hos­pizarbeit. Dieses Konzept trägt vieles in sich, um gut aufgestellt zu wer­den und welche Wege es gibt bei Kon­flik­ten und für eine gesunde Kom­mu­nika­tion­skul­tur. Für die Umset­zung gilt nicht nur die Ken­nt­nis davon, son­dern das Team hat regelmäßig eine Tea­men­twick­lung und Teambe­sprechung.
  2. Als zweite Säule gilt ein guter Pflege­plan, eine gute Pflege­doku­men­ta­tion und dass wir als Eltern wieder­holt erk­lären, was wir wollen. Ja, dies klappt nicht immer gut und per­fekt, denn auch wir müssen erst entschei­den, welche Ther­a­pie oder Pflege Linn erhält, wenn sie in ein­er Krise ist oder die Krankheit neue Far­ben zeich­net. 
  3. Als dritte Säule gilt, es kommt mit dem OPI-Konzept: Wir Eltern übernehmen selb­st die Pflege bei Linn, dies bewusst und gewollt. Das heißt: Wenn der Dienst endet, egal ob der Früh- oder Nacht­di­enst, dann übernehmen wir Linn und die geforderte Pflege. Dies gilt auch für liegenge­bliebene Auf­gaben.
  4. Dien­st­plan­sicher­heit. Wir glauben, um in der Pflege fit zu bleiben und diese mit Freude zu leis­ten, ist der zeitliche Aus­gle­ich wichtig. Dien­stver­längerung, Über­stun­den und Ein­sprin­gen soll­ten keine Regel sein. Um diese Sicher­heit zu erhöhen, haben wir einen Ruf­bere­itschafts­di­enst einge­führt, für die Dien­stzeit­en, wo wir Eltern selb­st Ter­mine im Job haben oder anders „wichtig“ ver­hin­dert sind. 
  5. Bleiben wir in Kon­takt — eine fün­fte Säule. Wir als Leitung oder Führungskraft kön­nen nur dann gut für die Pflege­fachkräfte sor­gen, wenn wir gut mit allen im Kon­takt sind. Pflege ist Beziehungsar­beit und die Pflege­qual­ität hängt mit davon ab, wie es den Mitar­beit­ern selb­st geht. Dabei ist egal, ob es die Pfle­ge­si­t­u­a­tion ist oder das per­sön­liche Umfeld des Mitar­beit­ers. Wenn es unseren Pflege­fachkräften gut geht, dann kön­nen sie auch gut für Linn sor­gen, so unsere Philoso­phie.
  6. Ein gutes, so glauben wir, Fehler­man­age­ment.

Unsere Aufzäh­lung ist nicht abschließend. Dazu ler­nen wir alle (unser gesamtes Team) jeden Tag und tre­f­fen auf neue Her­aus­forderun­gen bei Linn. Ger­ade die zulet­zt genan­nte Säule ist mit am wichtig­sten: Nah im Kon­takt mit den Pflege­fachkräften und gepaart mit einem guten Nähe- und Dis­tanzver­hält­nis.

Wie ist es bei Ihnen in der Pflege? Sie sind angestellt, was macht ihr Arbeit­ge­ber, ob große Klinik oder Pflege­di­enst, möglich, damit sie fit bleiben? Schreiben Sie uns, gerne möchte andere Wege ken­nen­ler­nen.