Ein sonniger Morgen, heute, der 12. Mai 2024. Ein Sonntag, ein besonderer Sonntag. Muttertag, Tag der Pflege und der Tag der chronischen Erschöpfung. Ein kurioses Zusammentreffen, das sich heute in der Pflege nicht verstecken konnte.
Ich war schon früh auf, für einen Sonntag. Um sieben hieß es, Linn zu übernehmen vom Nachtdienst.
Meine lichtscheuen Augen fielen auf den Kalender, und da standen sie, diese drei Tage untereinander. Sie fielen, verschwommen zusammen zu einem und mein Herz schlug zweimal außerhalb des Takts.
Für über die Hälfte unseres Pflegeteams hieß es Muttersein und alle sind Pflegefachkräfte. Und chronische Erschöpfung?
Ich stellte die Frage zurück. Zuerst galt es, den Nachtdienst zu verabschieden, damit ich mit Morgenpflege bei Linn und einem Espresso selbst mich wach zaubere: Zähne putzen, große Körperwäsche, Deo und neue Kleidung anziehen.
Linns letzter Abend in die Nacht hatte sich in ruhigen Schlaf verwandelt, erklärte mir die Pflegefachkraft. Als ich Linn ansah, bemerkte ich einen schmalen Spalt der Augen unter den Wimpern. Eine ruhige Nacht war ein Segen, insbesondere diese, für eine junge Mutter nach ihrer Elternzeit.
Ist unsere Pflegekraft erschöpft? Natürlich, und ja, die Zeit mit einem Baby kann einen zermürben, fordern. Doch, ob meine These stimmt oder nicht, konnte ich nicht prüfen. Es blieb keine Zeit meine Fragen zu äußern, denn die Straßenbahn wartete nicht, und sie musste los.
Was blieb, war ein Nachdenken. Ich flog über die Story meiner eigenen Erschöpfung nach zwanzig Jahren häuslicher Pflegearbeit für Linn. Davon sind neunzehn Jahre außerklinische Intensivpflege. Neunzehn Jahre täglicher Nachtdienste von einem Pflegedienst oder unserem PflegeTeam. Das hinterließ seine Spuren, färbte unser Familienleben. Hinzu kamen zwanzig Jahre Muttersein in Jena.
Gegen Mittag kam der Spätdienst für Linn, und ich wollte nach ihrer Erschöpfung fragen. Keine Chance. Linn wurde in den Rollstuhl “verpackt”, und es ging mit der Straßenbahn ins Jena-Paradies zum Café, um das kurze sonnige Wetter zu nutzen.
Erschöpfung. Als Eltern und zugleich Leitung der Pflege bei Linn bemüh(t)en wir uns, alles zu minimieren oder zu prüfen, was belastend sein könnte. Dafür war / ist es notwendig, offen für Kritik zu sein und herauszufinden, welche Aufgaben oder Struktur bei uns in der Pflege erschwerend oder belastend waren und sind.
Auch in einer 1:1‑Pflege wie bei Linn kann die Arbeit dicht gedrängt sein, mit vielen Aufgaben in einem kleinen Zeitfenster. Der Hygieneplan und die Prüfung medizinischer Geräte sind einige Beispiele.
Ein anderer Stichpunkt für ein Klima gegen Erschöpfung war und ist die Dienstplanung.
Ein fixer Plan, sechs Wochen vorher veröffentlicht, war und ist fix. Wenn sich akute Änderungen anschleichen, tragen wir Eltern erst einmal zusammen, was von uns umsetzbar ist.
Danach kommen wir mit dem Team ins Gespräch über unsere Ideen, wie akute Ausfälle gelöst werden könnten, was wir an anderen Tagen übernehmen und was wir im Gegenzug anbieten können für ein ausgleichendes Frei.
Schwups, und da sind wir beim nächsten Punkt: Zeit fürs Team ohne uns Eltern, die moderiert begleitet wird. Dies findet regelmäßig als Teamentwicklung und Fortbildung statt.
Denn Konflikte, egal, wie harmonisch unser Team in Jena sich erlebt, können jederzeit entstehen.
Wenn jemand Konflikte tragen muss, kann dies belasten und erschöpft diese auf lange Sicht. Damit Konflikte keinen „Ärger“ anrichten und den Alltag verändern, ist in der Teamentwicklung ein Raum dafür.
Gegen 19 Uhr zog unser Spätdienst seine Schuhe an. Es geht nach Hause zur Familie, zum „Mutter“-sein. Ich fragte sie noch, wie sie zur chronischen Erschöpfung steht. Klar, es gibt hier und auch zu Hause mal anstrengende Momente, Tage. Doch chronisch? Das verneinte sie.
Ich bin erleichtert und frage mich jetzt, als ich Linn noch Medikamente gab, ob ich als Leitung überhaupt dies fragen darf. Eigentlich, warum nicht. Was denkst Du über chronische Erschöpfung und Pflegearbeit? Dabei ist es egal, ob im Pflegedienst oder der Klinik.
Bist Du Pflege(fach)kraft? Vielen Dank für deinen Einsatz und besonderen Dank an alle, die um und mit Linn die Pflege, ihr Wohlsein trotz schwerer Erkrankung so toll gestalten.
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